Wenn das Wohnzimmer zum Hörsaal wird…
Der Studienbeginn unter Coronabedingungen
Ein Bericht von Jessica Ernst
Der Studienbeginn ist unter ‚normalen‘ Umständen für die meisten schon aufregend genug. Oft gerade erst frisch von der Schule, froh, dass man das Abi hinter sich hat und erwartungsvoll wegen all dem Neuen, was in den nächsten Monaten auf einen zukommen wird. Vielleicht schwingt bei einigen auch etwas Angst mit. Angst, nicht den richtigen Studiengang gewählt zu haben. Angst, vor der neuen Selbstständigkeit. Angst, keine neuen Leute kennenzulernen.
Beim diesjährigen Ersti-Jahrgang bleibt es jedoch nicht bei all diesen ‚normalen Unsicherheiten‘, die bei den meisten Studienanfängern sowieso nach den ersten Wochen wieder verflogen sind. Durch die Corona-Pandemie verstärken sich, neben ganz individuellen Sorgen, mit den Kontaktbeschränkungen auch die Probleme im Bezug auf das Studium.
Ob die neuen Studis es trotzdem irgendwie hinbekommen haben, ihre Kommilitonen kennenzulernen und wie der Studienalltag aktuell so abläuft, habe ich sie einfach mal (natürlich ganz Corona-konform übers Internet) gefragt. Was ihre Antworten waren, habe ich hier für euch zusammengefasst:
Wohnungssuche – Problematischer durch Corona?
Bereits vor Studienbeginn hatten viele mit einer ersten großen Hürde zu kämpfen: In der Nähe des Studienortes eine Unterkunft zu finden, die zudem auch noch bezahlbar sein sollte. Laut den befragten Erstis, von denen der Großteil in Erfurt studiert, gab es dabei zwar Probleme, die waren aber (auch dank Online-Besichtigungen) weniger durch Corona bedingt, sondern vielmehr dadurch, dass sich vor Semesterbeginn an einem Tag gut 100 Leute auf ein und dasselbe WG-Zimmer beworben haben. Ansonsten sehen einige die aktuellen Online-Vorlesungen auch als Chance, erst einmal Zuhause bei Familie und Freunden wohnen zu bleiben. Aber zu Online-Vorlesungen später mehr.
Studienbeginn – Ein kleiner Lichtblick?
Durch die Milderungen der Corona-Maßnahmen nach dem ersten Lockdown hatten die meisten Studienanfänger*innen die Möglichkeit, zumindest bei einigen Einführungsveranstaltungen in Präsenz teilzunehmen. Dadurch konnten sie sich untereinander aber auch ihren Tutor*innen zumindest kurz persönlich begegnen. Denn unter Beachtung der Hygiene-Maßnahmen konnten die von der Uni geplanten Kennenlern-Veranstaltungen, wie Stadtrallye oder Campus-Tour, zum Semesterbeginn Anfang November in kleineren Gruppen noch durchgeführt werden.
Außerdem gab es „einige selbstorganisierte Treffen in Erfurt, als die Beschränkungen das noch zugelassen haben“, bei denen man sich auch außerhalb der Uni mit seinen Kommiliton*innen vernetzen konnte. Seit dies nun alles nicht mehr möglich ist, beschränkt sich das Kennenlernen auf Facebook- und WhatsApp-Gruppen oder die Möglichkeit Mitstudent*innen in Live-Meetings zu treffen. All das sei jedoch „nicht wirklich mit 'realem Kontakt' vergleichbar“, weshalb es alle als echt schwierig beschreiben, sich momentan mit neuen Leuten zu connecten.
Studienalltag – Die Ernüchterung.
Nachdem sich die befragten Studis teilweise noch bei einigen Kennenlern-Veranstaltungen persönlich sehen konnten, beschränkt sich ihr Uni-Alltag aktuell vollkommen auf Online-Vorlesungen. Eine Studentin beschreibt ihre Situation wie folgt: „Der Studienalltag spielt sich momentan hauptsächlich zu Hause vor dem Laptop oder Büchern ab, da meine gesamten Vorlesungen und Tutorien mittlerweile online stattfinden.“ Dabei ist natürlich eine funktionierende Internetverbindung – bei Student*innen als auch Dozent*innen – Voraussetzung.
Wie mir erklärt wurde, gibt es beim Online-Unterricht grundsätzlich zwei Varianten: synchrone und asynchrone Vorlesungen. Bei Ersterem halten die Dozent*innen ihren Vortrag live über WebEx, währenddessen die Inhalte bei asynchronen Vorlesungen in Form von Videos und Folien bereits vorab online gestellt werden und von den Student*innen eigenständig ausgearbeitet werden sollen. Fast alle heben die Flexibilität positiv hervor, die damit einhergeht. Gleichzeitig betonen sie aber auch, dass eine Menge Eigenverantwortung und Disziplin notwendig ist, um nicht alles aufzuschieben.
Generell sind die Meinungen zur Motivation im Home-Office sehr unterschiedlich. Während sich einige „intensiver und unter größerem Zeitaufwand mit den Vorlesungen, Videos, Texten“ beschäftigen, verfielen andere bereits nach den ersten Tagen dem – noch aus Schulzeiten bekannten – Prokrastinieren. Dennoch fühlen sich alle Befragten fachlich ausreichend durch ihre Unis unterstützt, kennen ihre Ansprechpartner bei Unsicherheiten und erkennen die Bemühungen ihrer Lehreinrichtungen, den Student*innen einen ‚normalen‘ Alltag bieten zu wollen.
Ein Problem jedoch besteht darin, dass sich die bisherigen Vorstellungen der Erstis vom Studium enorm von ihrer aktuellen Studienrealität unterscheiden. Einige beschreiben deshalb, dass sich das ‚Gefühl des Studierens‘ bei ihnen nicht einstellen mag.
Es fehlt ihnen dafür auch die klare Trennlinie, die den neuen Lebensabschnitt vom Alten abgrenzen soll. Durch die aktuellen Maßnahmen ist diese nicht so deutlich. Die Schule ist zwar vorbei, doch das Uni-Leben unterscheidet sich momentan in der Art des Unterrichts wenig von den letzten Schulwochen. Dazu kommt, dass nur wenig Unternehmungen mit neuen Bekanntschaften möglich sind, die ihnen das Gefühl von Veränderung geben könnten.
Fazit – Wie schlimm ist es wirklich?
Man kann also abschließend sagen: der Studienbeginn und der Alltag laufen bei meinen befragten Student*innen nicht ganz wie in ihren Vorstellungen. Dennoch kommen alle Befragten gut mit den Online-Vorlesungen zurecht und erkennen auch durchaus die Vorteile. Bis der Uni-Alltag wieder in Präsenz stattfinden kann, versuchen sie die Zeit im ‚Home-Office‘ als Chance zu sehen, neben den neuen Inhalten auch viel über Selbstständigkeit und Eigenverantwortung zu lernen.
Und natürlich ist ein digitales Kennenlernen der neuen Kommiliton*innen nicht dasselbe, wie persönliche Gespräche. Aber es deshalb komplett sein zu lassen, kann doch auch nicht die Lösung sein. Vielleicht geben die Erstis dem gemeinsamen Kaffeetrinken über Zoom bei länger andauernden Maßnahmen ja doch noch irgendwann eine Chance…
Ich bedanke mich hiermit nochmals ganz herzlich bei allen, die mir meine Fragen beantwortet haben! Falls ihr ähnliche oder vielleicht auch ganz andere Erfahrungen gemacht habt, kommentiert uns sehr gern eure Eindrücke und Erlebnisse! Wie läuft euer Uni/ (Hoch)Schul-Alltag aktuell? Wie kommt ihr damit klar?