Apache 207 – Lyriker von Weltrang?
Apache 207– Lyriker von Weltrang
Artikel
Leandra Jerchel
Um Deutschrap kommt man im Moment nicht herum. Ob in den Charts, im Radio oder auf Partys – Deutschrap scheint omnipräsent. Die Künstler benennen sich wild nach Zahlen, denen mal mehr, mal weniger Bedeutung zugemessen wird. Zwischen 187, 102 und 207 den Überblick zu behalten, fällt als Laie zunächst schwer. Doch wer wirklich mitreden möchte, muss sich dieser Herausforderung stellen. In einem verzweifelten Versuch „hip und jung“ zu bleiben (das wohlgemerkt mit 19 Jahren), habe ich angefangen, Apache 207 zu hören.
Zunächst schien mir seine Musik unglaublich banal und langweilig, bis ich einige Tage später feststellen musste, dass ich einen hartnäckigen Ohrwurm von „Roller“ hatte. Also fingen meine Freunde und ich schließlich an, „ironisch“ Apache zu hören.
Die Wahrheit ist aber, dass man Musik ganz schlecht ironisch anhören kann. Wir mussten uns eingestehen, dass wir tatsächlich gerne Apache 207 hören, was für uns als Rockkonzertgänger und Indiediscofans eine schwere Verletzung unserer musikalischen Ehre darstellte.
Doch der gebürtige Ludwigshafener wuchs uns ans Herz. In seinen Liedern werden die Musikgenres Eurodance, Straßenrap und Cloud Rap so kombiniert, dass sie einem mindestens eine Woche nicht aus dem Kopf gehen. Sein bis heute erfolgreichster und wohl auch bekanntester Song ist der Top-10-Hit „Roller“.
Sanft aber bestimmt startet der Song mit der rhetorischen Frage: „Warum f***t ihr Kopf, Kopf?“ Anschließend erklärt das lyrische Ich, dass es Gucci-Sandalen nur „aus Trotz, Trotz“ trägt. Hier lässt sich eine starke Parallele zwischen lyrischem Ich und dem Autor feststellen: auch Apache 207 trägt häufig Gucci-Sandalen in Kombination mit weißen Socken. Was im Allgemeinen als Modesünde und maximal uncool angesehen wird, ist spätestens seit ihm im Trend. Darüber äußert das lyrische Ich eine gewisse Verständnislosigkeit in dem es in der darauffolgenden Zeile sagt: „Trotzdem machen sie mir nach, kann's nicht glauben.“
Im fünften Vers spricht das lyrische Ich dann endlich zum ersten Mal über seine „Wespe“. Gemeint ist hiermit die beliebte Moped-Marke Vespa. Aber warte mal? Mopeds und Deutschrap? Macht Apache jetzt nicht nur Socken in Sandalen sondern auch noch Rollerfahren zum Nonplusultra der Coolness? Ein gleichwohl erfrischender Text in einem Meer von sprachlich diskriminierenden Liedern. Liebevoll bezeichnet das lyrische Ich sein Fortbewegungsmittel als sein „Baby“.
Kann es denn sein, dass wir es vielleicht zum ersten Mal in der Geschichte von deutschem Straßenrap mit einem Lied zu tun haben, das weder rassistisch, sexistisch noch homophob ist? Eine einfache Liebeserklärung an Mopeds ohne Verherrlichung von Gewalt?
Doch zu früh gefreut. In Vers elf beginnt das lyrische Ich einen „Eins-gegen-Eins“-Kampf zu beschreiben, also, dass zwei Personen miteinander kämpfen ohne Hilfe einer Drittperson. Es wird beschrieben, wie der Gegner seinen „Bro“ ruft. Ein ähnliches Motiv findet sich in der zweiten Strophe wieder, in der das lyrische Ich jemanden dazu auffordert, seinen „Papi“ zu holen. In Fachkreisen des Rap würde man so ein Verhalten als ‚whack‘, also uncool und peinlich, bezeichnen.
Die Szenerie wechselt erneut: nun befindet sich das lyrische Ich wieder auf seinem Roller. „Cruis’ mit offenen Haaren und hinter mir sitzt eine Bitch like Barbie“.
Und da ist sie auch schon: Die gute alte Entmenschlichung von Frauen. Das lyrische Ich vergleicht eine Frau mit Barbie, wodurch unrealistische Schönheitsideale wacker vorangetrieben und die Frau mit einer Puppe ohne eigenen Willen gleichgesetzt wird.
Unweigerlich ist die Aufforderung „Let’s go, Barbie“ in der darauffolgenden Zeile eine Anspielung auf das Lied „Barbie Girl“ von Aqua, welches jene entmenschlichte Darstellung von Frauen kritisiert.
Aber egal, denn jetzt fährt das lyrische ich „mit Siebzig auf eure Party“. In der ‚Hook‘ (coole Hip Hop Bezeichnung für Refrain) geht die Erzählung weiter. Sobald die Party erreicht ist, „machen die Leute Fotos und ihre Taschen platzen“. Was mit „Taschen platzen“ gemeint ist, kann ich euch bis heute nicht genau erklären, aber es ist bestimmt cool und gangstermäßig. Es ist aber auch nicht so wichtig, denn das lyrische Ich erklärt, dass all’ diese Aufmerksamkeit gar nichts mit ihm macht, denn „Apache bleibt gleich“. Ein Satz der stolze zehn Mal in einem knapp zweieinhalb minütigen Song vorkommt, immer gefolgt von dem simplen, aber dennoch aussagekräftigen „brrm brrm“, um das Motorgeräusch eines Rollers zu imitieren.
Des Weiteren verhöhnt das lyrische Ich Personen, die „von Koks und Messerstechereien“ sprechen, denn „sie müssen los, wenn unsere Roller wieder schreien“. Auffällig ist der Wechsel von einem lyrischen Ich zum lyrischen Wir. Aus dem Apache-ähnlichen lyrischen Ich wird eine bedrohliche Rollergang. Diese letzten zwei Zeilen der Hook drücken eine Form von Spott gegenüber Möchtegern-Gangstern aus. Der Autor möchte damit ausdrücken, dass man nicht gefährlich und krass wird, indem man allen erzählt wie gefährlich und krass man ist. Lieber sollte man tatsächlich krass sein, also sich prügeln und Drogen verkaufen. Hm, na ja okay.
Dieses Motiv bleibt auch in der zweiten Strophe erhalten, wobei der Dichter hier noch eine Prise Selbstinszenierung als großer Macker reinstreut. In den letzten Zeilen der zweiten Strophe lässt Apache noch einmal sein ganzes lyrisches Können in seinem – meiner Meinung nach – besten Reim erahnen. Der Dichter hatte die clevere Idee, das Wort „Radio“ am Ende der vorletzten Zeilen mit den Ausruf „Da-Di-Oh“ zu kombinieren, um so einen kunstvollen Reim zu erschaffen. Sehr Gelungen! Abschließend folgt das Outro. Das Outro sind lediglich vier “brrm”, damit man ja nicht vergisst, dass es in dem Lied ja eigentlich um Roller geht.
Apache 207 ist unumstritten einer der größten deutschen Lyriker unserer Zeit. Kaum einer schafft es mit seiner Kunst, uncoole Sachen, wie Socken in Sandalen und Roller so beliebt zu machen, wie er. Das kürzlich veröffentlichte Lied „Fame“ lässt erhoffen, dass Kinderlieder das nächste große Ding werden.
Es zeigt vor allem noch einmal sehr eindeutig, dass Apache machen kann was er will, Geld verdienen, Roller fahren, Frauen objektifizieren, Kinderliedzeilen singen, denn er bleibt gleich. Und vor allem bleiben seine Texte gleich: sexistisch, homophob und Gewalt verherrlichend, wie die seiner männlichen Mitstreiter. Schade eigentlich.